Golgatha

G O L G A T H A

( Röm. 8,19 )

IN DER  STUNDE  DER DÄMMERUNG

 Alles war schon vorüber:

 das Ringen in Sonnenglut,

 die Folter des Spottes,

der harte Krampf in den immer noch segnend

ausgebreitet gefesselten Händen,

 und der Schrei nach dem Gott war verhallt,

 der sein Antlitz verbarg,

 und die Freunde hatten die Szene längst verlassen,

 weinend, in sich selbst verkrümmt,

 und den Leichnam verborgen im Grab,

 aber das Kreuz stand noch,

 leer ragend, schwarz

 gemeißelt ins sterbende Licht,

DA BRACH  DIE ERDE AUF,

 erbrach der Schöpfungsleib, gebar,

 und aus den Schründen quoll und brandete heran

 zum Berg der Schmerzen Dein Geschöpf,

 das Hekatombenopfer, Flut

 des unverdienten, ungesühnten Leids der Kreatur:

 Schlachtochs und Esel, lastgebeugt, voran,

 die Zeugen Deiner elenden Geburt,

 der scheue graue Kranich, heimatlos, und hinter Gittern

 das geraubte Gorillakind, die gemarterten Katzen

 aus der Vivisektion und östrogenverseucht

 die blutlosen Kälber mit den großen flehenden Augen,

 die weißen Robben, kaum geboren erschlagen,

 der gehetzte Wal des Pazifiks und der Falter,

 der auf meiner Windschutzscheibe zerplatzte,

 die zum Paarungstümpel strebend achtlos überrollten

 frühlingstrunkenen Kröten, der alte Uhu,

 der im verödeten Stangenholz sein Weibchen

vergeblich ruft, das Unkraut, das Du auch geliebt,

die Spinne, zertreten, die Fliege, am  Leim gestorben,

 weil ich sie lästig fand.

 

DAS  KREUZ ERZITTERTE

unter dem Ansturm letzter enttrohnter umgetriebener

Könige: Adler, Löwe, Elefant, die Erde dröhnte

vom Stampfen der unzählbar hingeschlachteten Bisonherden,

ihr Brüllen ging unter im Schwirren

gemordeter Insektenmyriaden, und die Wälder standen auf,

stiegen hinan, ächzend im Säureregen, erfüllt

vom Röhren der Motorsägen und dem splitternden Fall

alter Bäume, das Meer schwoll auf, schwer von Gift,

stemmte heran, warf aus den ungeheuren Planktonkadaver,

die tote Quelle des Lebens

zu Deinen Füßen, Herr,

SO WURDE  ES  NACHT,

 und während das Getümmel verebbte, zurücksank

 in den Sumpf der Vergessenheit,

sandte der Brachvogel den letzten verlorenen Ruf

„ERBARM  DICH, HERR“

 in die tiefer werdende Finsternis

 unter den Sternen ...

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