Geschichte der BI

Martin Dethlefs: Kurzfassung der

Geschichte der Bürgerinitiative Südheide e.V.

ehem. "Bürgerinitiative Südheide für den Schutz vor Kernenergiegefahren"

zum 25-jährigen Jubiläum im Jahre 2001

Zum Jahreswechsel 1975-76 hatte der damalige Minsterpräsident Niedersachsens, Ernst Albrecht, gemäß Bonner Vorgaben drei Standorte für die im Atomprogramm vorgesehene atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) vorgeschlagen, zu der u.a. ein Endlager in intakten Formationen eines Salzstockes gehören sollte. Einer dieser Standorte war Lutterloh. Diese Benennung rief in Hermannsburg heftige Unruhe hervor, insbesondere als im Frühjahr '76 bereits eine Tiefbohrung in den Salzstock Lutterloh niedergebracht wurde.

In Hermannsburg gründete sich darauf hin die „Bürgerinitiative Südheide“ mit dem Ziel, im Rahmen von Vorträgen und gewaltlosen Aktionen Widerstand gegen die Einrichtung der WAA zu leisten und die Mitbürger über die Gefahren der Atomenergie aufzuklären. Die Aktivitäten wurden insbesondere von Bürgern aus Suderburg, Bergen und Eschede, sowie von einer Schwester-Initiative in der Ostheide (Hankensbüttel) unterstützt.

Zu den Aktivitäten gehörten: Wöchentliche Treffen in der Heimvolkshochschule,  Verhandlungsversuche mit der Landesregierung, mehrere Vortragsabende mit namhaften Wissenschaftlern, die Einrichtung eines dauerbesetzten Wachpostens in einer Jagdhütte bei Lutterloh und eine erste Großdemo am Bohrplatz, sowie Busreisen zur Teilnahme an Demonstrationen gegen das vor Baubeginn stehende KKW Brockdorf, zwei in 1976, die dritte, die sog. "Schlacht von Brockdorf", in 1977.

Die Auseinandersetzungen in Brockdorf löste in Hermannsburg schon früh die Diskussion um die Anwendung von Gewalt bei Demonstrationen aus. Die B.I. Südheide bekennt sich seither zum Prinzip "Keine Gewalt!"

Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung zählte die B.I. Südheide ca. 330 Mitglieder und viele weitere Sympathisanten.

Im Frühjahr 1977 entschied der Ministerpäsident überraschend gegen die bisher geplanten drei Standorte und für Gorleben, wodurch die B.I. Südheide von dem unmittelbaren politischen Druck befreit wurde.

Gleichzeitig sah die B.I. sich unversehens mit der Frage "Selbstauflösung oder Fortsetzung der Arbeit?" konfrontiert. Angesichts der gemeinsamen Überzeugung von der Wichtigkeit des Widerstandes gegen die übermächtige Atom-Lobby wurde die Fortsetzung beschlossen; die beiden Flügel der B.I., der eine eher links, der andere eher bürgerlich, die bisher zusammengehalten hatten, fielen nun auseinander, wobei der bürgerliche sich als stabiler erwies. Der Mitgliederbestand schrumpfte erstmals heftig.

Die B.I. begriff ihren künftigen Auftrag zunächst als Etappe, Unterstützer und Begleiter der Schwester-B.I. in Lüchow-Dannenberg und dokumentierte dies in 1977-78 durch Teilnahme an der ersten Großdemo mit Tausenden von Teilnehmern "im verbrannten Wald", sowie an der Einrichtung des "Spielplatzes" und mehreren Aufforstungsaktionen auf dem für die WAA beanspruchten, nun aber von der B.I. angepachteten Teilgebiet des Grafen Bernstorf über dem Gorlebener Salzstock.

In den folgenden Jahren nahm die B.I. Südheide an zahlreichen nennenswerten Aktionen der B.I. Lüchow-Dannenberg teil, darunter:

 

- der "Große Treck" nach Hannover (1979), mit ca. 70 Treckern und  Tausenden von Teilnehmern bei der Schlußdemonstration, übernachtete  in Hermannsburg;

-  Hermannsburger nahmen teil an der Besetzung des Bohrplatzes 1004 im Mai 1980, besuchten weiterhin die sich dort etablierende "Republik Freies  Wendland" und erlebten schließlich die gewaltsamen Beendigung  dieses einmaligen Experimentes mit.

Auf die Dauer ließ sich die Konzentration der Arbeit auf ein ca. 100 km entferntes Objekt nur schwer durchhalten. Es lag daher nahe, sich aus gegebenem Anlaß auf Anliegen im Hermannsburger Umfeld zu bekümmern:

- Die B.I. kämpfte 1982-84 heftig gegen die bereits in der Entstehung  befindliche Ortverbindungsstraße Baven-Hermannsburg, da diese ein  Teich- und Feuchtgebiet zu zerstören drohte. (Teilerfolg)

- In Zusammenarbeit mit anderen örtlichen Gruppen wurde die Ansiedlung eines Mega-Marktes am westlichen Ortsrand verhindert.

- Die B.I. Südheide begann als erste Organisation weit und breit mit Altpapier-Sammlungen.

Eine günstige personelle Konstellation, die ungewöhnlich gute Erhaltung naturnaher Bereiche im Hermannsburger Umfeld, der "Südheide", sowie die Bitte vonseiten des ersten für Naturschutz ausgebildeten Mitarbeiters der Landkreisbehörde in Celle um Beteiligung an der Erstellung des Landschaftsrahmenplanes gaben mit den Jahren der Arbeit der B.I. ein zweites,  ausgeprägtes eigenes Arbeitsfeld.

Dabei kristallisierten sich im Lauf der Zeit folgende Prinzipien heraus:

- Die B.I. muß mit mindestens ebenso präzisen wissenschaftlichen Standards arbeiten wie die Behörde. Sie braucht vor allem möglichst  komplette Kenntnis des  Gesamt-Lebensraumes (Arten-Kenntnis).

- Naturschutzarbeit macht Sinn nur in Zusammenarbeit mit der Naturschutzbehörde, nicht gegen sie.

Einen großen Teil der Aufmerksamkeit nahm von Anfang an der Weesener Bach (Lutterbach) als besonders wertvoller "Hausbach" in Anspruch. Beispielsweise:

- 1983 wurde in  Zusammenarbeit mit den Naturfreunden Weesen die weitgehende Handräumung des Baches durchgesetzt.

- 1984-88 Auseinandersetzung um die Kläranlage Lutterloh, die, kaum in Betrieb, aufgegeben und durch einen Abwasser-Anschluß nach  Hermannsburg ersetzt werden mußte.

- 1987- 91 Auseinandersetzung um den Antrag des WVC, die Wasserentnahme aus dem Wasserwerk Weesen fast zu verdreifachen  (großer Teilerfolg).

- Zwischen 1982 und 1988 hatte die B.I. 3 Anträge auf Unterschutzstellung  des Weesener Baches gestellt, den letzten mit einer umfangreichen  Datensammlung in Gestalt eines limnologischen Gutachtens von dem  Fachwissenschaftler Dr. Herbert Reusch, Uelzen. 1999 wurde dieser  Antrag von der Bezirks-Regierung nach vielen Auseinandersetzungen endlich umgesetzt.

-  Seit 1988 arbeitet die B.I. an der Durchsetzung einer "Umflut" um die Luttermühle, die für die notwendige Durchgängigkeit des Baches für Kleinlebewesen unverzichtbar erscheint.

Die B.I. hat fernerhin an der Entstehung der Naturschutz-Gebiete "Gerdehauser Moor" und  "Mittleres Lüßplateau" Anteil.

Da die B.I. Südheide sich ausgelastet fühlt mit der Pflege von 3 Naßwiesen am südlichen und westlichen Ortsrand, sowie einer ehemaligen Moorwiese im Raum Gerdehaus, wurden die Altpapiersammlungen inzwischen von einer anderen Gruppe übernommen.

Zur Pflege der public relations beteiligt sich die B.I. seit Jahren am Ferienpaß-Programm der Gemeinde Hermannsburg.

Gemeinsame Ausflüge mit Fahrrad oder Bus zu interessanten Zielen, sowie ein adventlicher Klönabend dienen zur Pflege der Gemeinschaft.

Im übrigen werden die Lebensräume und Artenbestände der Südheide regelmäßig bearbeitet; es existieren inzwischen und werden ständig weitergeführt:

- eine Computerdatei mit über 5000 Einzeldaten aus Flora und Fauna der Südheide, wobei die schwierigen Bestimmungen von Moosen und  Flechten von Frau Dr. M.Koperski, Bremen, und Herrn Uwe de Bruin, Uni Oldenburg, begleitet werden. Zur Datei gehört ein Kartenwerk. Sie wächst z.Zt. jährlich um ca. 600 bis 800 Daten,

- eine regionale, Flora-, Fauna- und Biotope-bezogene Diathek mit mehr als 1500 Dias.

- Die jährlich zusammenkommenden Daten werden an das NLÖ (nieders. Landesamt für Ökologie) gemeldet und dort für wissenschaftlichen Abruf bereitgehalten. Von dort erhielt der Sachbearbeiter der B.I. den Auftrag,  die im Raum Hermannsburg gelegenen Reststandorte der Flachbärlapp-  arten zu pflegen und einen Standort des Faden-Enzians zu beobachten.

Die B.I. ist Mitglied des LBU (Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz) und mit dem BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz) eng verbunden und erarbeitet für diese beiden "Träger öffentlicher Belange" Stellungnahmen zu umweltrelevanten Planungen und Genehmigungsverfahren. Die Zusammenarbeit mit der Ortsgruppe des Nabu ist gelegentlich sehr intensiv, z.B. in Bezug auf die Pflege eines Orchideenvorkommens.

Neben solchen vielfältigen Aktivitäten im Arbeitsfeld Naturschutz blieb die ursprüngliche Verpflichtung erhalten: Die Begleitung der B.I. Lüchow-Dannenberg im Widerstand gegen die Atomenergie-Gefahren. Die 1988 revidierte Satzung drückt dies so aus:

- In § 2 "Aufgaben und Ziele des Vereins" heißt es: "... widmet er sich:

 2.1.1 der Erhaltung und Verbesserung der Lebensgrundlagen für Mensch  und Natur (Arten- und Biotopschutz) im Heimalbereich, überregional und im Hinblick auf künftige Generationen,

 2.1.2 der Aufklärung der Bevölkerung über Umweltgefahren und der  Erziehung zu umweltbewußtem Verhalten.

 2.1.3 Seiner Geschichte entsprechend wird insbesondere der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie angestrebt."

Insbesondere die Katastrophe von Tschernobyl 1988, die auch in der Südheide das Land z.T. nachhaltig verstrahlte, wurde zum Anlaß, zu Gruppen in Weißrußland Beziehungen herzustellen, die z.Zt. wesentlich in der Beteilung an der Finanzierung und Unterhaltung von Verstrahlungs-Meßgeräten für Schulkinder im Raum Korma besteht.

In besonderem Maße wurde die beständige Anti-Atom-Arbeit forciert durch die Teilnahme an Großdemonstrationen in Ahaus, Krümmel, sowie 1995, 1996 und 1997 an den Demonstrationen gegen die Castor-Transporte im Raum Lüchow-Dannenberg. Besonders junge Hermannsburger, begleitet durch einige Ältere und Erfahrene, nahmen an diesen Aktionen teil. Zur Zeit sammelt sich wieder eine Gruppe zur Teilnahme an Demonstrationen anl. des für März/April angekündigten nächsten Transportes nach Lüchow Dannenberg. Der Grundgedanke der Gewaltfreiheit im Rahmen von Sitzblockaden bleibt dabei Prinzip.

Die Mitgliederzahl bewegt sich - seit Jahren ähnlich bleibend - um 100. Davon nehmen bis zu 30 Personen (auch Nichtmitglieder) an Aktionen teil. Ein Problem wie bei vielen Vereinen ist der Mangel an bindungsbereiten jüngeren Leuten. (Jugendliche sind durchaus bereit, sich unverbindlich zu engagieren!).

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