Bartflechten

Kehren die Bartflechten zurück?
– Beobachtungen aus der Südheide

 

von Martin Dethlefs

unter Mitarbeit von Thomas Kaiser

 

1. Einleitung

 

Es geschieht in diesen Zeiten nicht oft, daß Arten, die bereits unter der
Kategorie “vom Aussterben bedroht” geführt und auch von Fachleuten
so gut wie abgeschrieben waren, ein Come-Back erleben. Ebendies
hatte sich beispielsweise mit dem Kranich in Niedersachsen zugetragen
(Heckenroth & Laske 1997) und scheint sich gegenwärtig mit einer
Gruppe von epiphytisch lebenden Flechten, insbesondere mit den
Bartflechten der Gattungen Usnea und Bryoria, zu vollziehen.
Wie ist die Situation, und was ist geschehen?

Auch von Botanikern meist unbemerkt, hatte die große Mehrzahl der Flechtenarten in diesem nun ausgehenden 20. Jahrhundert einen rapiden Rückgang erlebt. “Zahlreiche Arten, die noch um die Jahrhundertwende im Gebiet weit verbreitet und häufig waren, sind heute so selten geworden, daß sie als »vom Aussterben bedroht« eingestuft werden müssen oder bereits »ausgestorben oder verschollen« sind,” schreibt Hauck (1992: 3). Entsprechend sind die Daten: Von den neun für Niedersachsen geführten Arten der Gattung Usnea gelten fünf als “ausgestorben oder verschollen” und vier als “vom Aussterben bedroht”, von den fünf Arten der Gattung Bryoria zwei als “ausgestorben oder verschollen” und drei als “vom Aussterben bedroht” (Hauck 1992, vgl. auch Hauck 1995). Auch in Nachbarregionen und bundesweit sind viele dieser Arten stark bedroht oder sogar ausgestorben (Jacobsen 1992, Scholz 1992, Wirth et al. 1996). Dagegen berichtet Nöldeke (1870: 77) aus dem letzten Jahrhundert über Usnea: “Celle häufig, jedoch selten mit gut entwickelten Früchten, vorzugsweise an Eichen.” Zum Vorkommen von Bryoria fuscescens merkt derselbe Verfasser an (S. 77): “Celle häufig, namentlich an Birken, ... stets unfruchtbar.” Aufgrund der starken Bestandseinbrüche fordert Hauck (1996: 124) in fast stereotyper Gleichförmigkeit für alle Vorkommen der Gattungen Usnea und Bryoria: “Die bestehenden Vorkommen der Art sollten vollständig erhalten werden. Dies beinhaltet den Verzicht auf die wirtschaftliche Nutzung besiedelter Waldbestände bzw. auf das Abholzen besiedelter Einzelbäume. Insbesondere bei freistehenden Bäumen sollte einem Eintrag von Düngern und Pestiziden von benachbarten landwirtschaftlichen Nutzflächen entgegengewirkt werden” (so über Usnea filipendula).

 

Tatsächlich war der hauptsächlich wohl durch gasförmige Schwefel- und Stickstoffverbindungen hervorgerufene Zusammenbruch der epiphytischen Flechtenbestände jedenfalls in dem vom Verfasser regelmäßig kartierten Raum der Südheide nur deshalb nicht bekannt geworden, weil sich zumindest dort seit Jahrzehnten niemand um Flechten gekümmert oder auch nur die nötige Sachkenntnis dazu besessen hätte. Anläßlich einer für den BUND erbetenen Stellungnahme zur Planung eines Schweine-Maststalles begann ich Ende 1997, mich mit den Flechten als Bioindikatoren zu beschäftigen (vgl. beispielsweise Hobohm 1994, Kirschbaum & Wirth 1997). Zu diesem Zeitpunkt fand ich etwa den oben beschriebenen desaströsen Zustand vor: leergefegte Wälder weit und breit; an gut belichteten Bäumen ein paar stickstofftolerantere Arten wie Hypocenomyce scalaris, Physcia tenella und schwach entwickelte Hypogymnia physodes. Schon ein größerer Bestand von Pseudevernia furfuracea wirkte fast wie eine Offenbarung. Mit der Zeit allerdings differenzierte sich das Bild. Die vorliegende Darstellung dokumentiert das Wiederauftreten empfindlicher epiphytischer Bartflechten in der südlichen Lüneburger Heide.

 

 

2. Untersuchungsgebiet und Methode

 

Die Bestandserhebungen zu epiphytischen Flechten wurden schwerpunktmäßig im Norden des Landkreises Celle durchgeführt. Naturräumlich ist dieses Gebiet Teil der zur Lüneburger Heide gehörenden Südheide und Hohen Heide (Meisel 1960). Die naturräumliche Ausstattung des Untersuchungsgebietes wird zusammenfassend von Kaiser (1994) beschrieben. Daher erfolgt im weiteren nur ein knapper Überblick. Das stark eiszeitlich überformte Relief weist mit seinen ausgedehnten Sanderflächen nur geringe Höhenunterschiede auf. Im Bereich von Endmoränenzügen herrscht ein etwas stärker bewegtes Relief. Nach Harbort (1916) werden weite Flächen von pleistozänen Sanden bedeckt. Die jüngere geologische Entwicklung schildert Meyer (1984). Nach Lüders (1978) herrschen an Bodentypen Braunerden und Podsole vor, die zum Teil pseudovergleyt sind. Hinzu kommen in den Niederungen Moorböden und Gleye. Nach Hoffmeisters (1937) Einteilung Niedersachsens in sogenannte Klimakreise liegt das Untersuchungsgebiet etwa auf der Grenze zwischen dem westlichen Unterkreis der Lüneburger Heide und dem Unterkreis Kalenberg des Weserkreises. Somit liegt es im Übergangsbereich zwischen dem atlantischen Nordseeklima und dem kontinentaleren Klima der Börde. Es herrschen westliche Winde vor.

 

Die Geländeerhebungen begannen gegen Ende des Jahres 1997. Nachfolgend werden Funde bis Anfang 1999 referiert. Die Nomenklatur der erwähnten Flechten folgt HAUCK (1996). Für die Bestimmung der Arten wurden insbesondere Wirth (1987, 1995) sowie Moberg & Holmasen (1992) herangezogen. Die Bestimmung der Usneen bis auf Artniveau erfolgte bisher nicht, da sie an die Verfügbarkeit eines aufwendigen chemischen Apparates gebunden ist. Zur Bezeichnung der Fundorte werden die Meßtischblattquadranten herangezogen.

 

 

3. Entdeckung der Bartflechtenvorkommen

 

Im Verlauf der Bestandserhebungen differenzierte sich das Verbreitungsbild der Flechten im Untersuchungsgebiet. In abgelegenen, vor allem von belebten Straßen und intensiver Landwirtschaft distanzierten Waldbereichen fanden sich vereinzelte Eichenkämpe mit dichterem Flechtenbewuchs. Hier treten neben Hypogymnia physodes vor allem auch Hypogymnia tubulosa, Platismatia glauca und Cetraria chlorophylla auf. Im Kronenbereich einer gefällten Eiche aus einem alten Waldbestand des Weesener Sunder (3126/4) stieß ich auf die erste Usnea, bald darauf auf eine zweite an einem Zweig im unteren Stammbereich eines ebenfalls alten Eichenbestandes des Staatsforstes Lüß (3127/4). Gleichzeitig fanden sich kleine Bestände von überwiegend Usneen, gelegentlich auch Bryorien, im unteren Stammbereich älterer, rauhborkiger, in lichtreichen Schneisen angesiedelter Einzelbirken (1 Exemplar in 3027/2, 2 Exemplare in 3027/3, 4 Exemplare in 3127/4). Allerdings erweckten selbst diese Bestände den Eindruck eines unübersehbaren Dahinschwindens. Einzelne Stämme sind heute bereits verödet und bestätigten so noch einmal das bekannte Bild.

 

Die Wende kam erst im Oktober 1998, weitab und gänzlich unerwartet: Anläßlich eines Spazierganges im zur Aller-Talsandebene gehörenden Fuhrberger Feld (Staatsforst, 3425/1) stieß ich auf teils stark verkrüppelte, aber stets dicht mit Flechten bewachsene Junglärchen, die sich bei näherem Hinsehen als Träger von vereinzelten Bartflechten erwiesen. An einer Schneise von ca. 500 m Länge fanden sich insgesamt 13 Usneen und drei Bryorien, in der Regel jeweils an einem Bäumchen und eher klein und leicht zu übersehen. Ein sofortiger Anruf beim Niedersächsischen Landesamt für Ökologie (NLÖ) bestätigte, daß dies eine bisher unbekannte Erscheinung sei, der unbedingt nachgegangen werden müsse. Das NLÖ nahm sogleich Kontakt mit der zuständigen Forstdienststelle auf und erwirkte, daß die bereits für die Durchforstung gezeichneten Bestände vorerst nicht eingeschlagen wurden.

 

Dies überraschende Ereignis löste bei mir sofort eine lebhafte Aktivität aus. Ich meinte mich zu erinnern, daß ich vor Jahren im Staatsforst Lüß - irgendwo - eine hängende Flechte in einer Junglärche gesehen hatte, ging auf die Suche und wurde alsbald fündig. In der Revierförsterei Schafstall (3127/4) hatte die Sturmkatastrophe 1972 einen großen Teil der Waldbestände geworfen. Die abgeräumten Flächen waren mit Kiefern aufgeforstet und aus Feuerschutzgründen entlang der Schneisen mit Lärchen abgepflanzt worden. Diese also ca. 20- bis 25-jährigen Lärchen wiederum wiesen den bereits vertrauten starken Flechtenbewuchs und darunter auch einzelne Usneen und Bryorien auf. Im Unterschied zum Fuhrberger Feld waren es hier aber nicht wenige und krüppelige Lärchen, die bewachsen waren, sondern kräftige, hochgewachsene Exemplare, die vereinzelt auch mehrere Bartflechten zugleich trugen. Ein erster Überblick über den Umfang des Vorkommens machte deutlich, daß der gesamte Lärchenbestand über mehrere Schneisenkreuze hinweg bereits Bartflechten zeigte. Insgesamt entdeckte ich sie an über 80 Lärchen. Die Tatsache, daß im Bestand gerade Durchforstungsmaßnahmen stattgefunden hatten, der auch Bartflechten tragende Lärchen zum Opfer gefallen waren, ließen mich alsbald Kontakt mit dem zuständigen Revierförster aufnehmen. Dieser war sofort interessiert und erlaubte mir, die betroffenen Bäume zu kennzeichnen, um derart unnötige Verluste in Zukunft zu vermeiden.

 

Diese Maßnahme erwies sich allerdings schon bald als überholt. Es war derselbe Revierförster, der mich informierte, in anderen Teilen seines Revieres habe er weitere, dichtere und auch viel kräftigere Bartflechtenbestände entdeckt. Meine weitere Nachsuche ergab, daß (nach bisheriger Kenntnislage) Bartflechten auf schneisenbegleitenden Lärchenbeständen in einem Umkreis von 10 bis 12 km Durchmesser, und zwar in den Quadranten 3127/1, 3127/3, 3127/4, 3226/4 sowie 3227/1 feststellbar waren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es nicht übertrieben anzunehmen, daß in dem genannten Raum über 1.000 Lärchen Bartflechten tragen. Hinzu kommt ein kleiner Bartflechtenbestand auf einem ausgedehnten, aber wenig wuchswilligen Jungeichenbestand, auf den der Revierförster hinwies.

 

Schließlich machte mich ein Revierförster des Staatsforstes Oerrel auf einen reichen Bartflechtenbestand in seinem Revier (3027/1/03) aufmerksam, der sich am meisten den “klassischen” Standort-Angaben in der Literatur annäherte. Die Bartflechten siedelten überwiegend auf ca. 100- bis 150-jährigen Eichen (daneben auch wieder auf älteren Birken), die einen breiten Forstweg in mehr oder minder lichtem Bestand begleiteten, und zwar vom Stammfuß bis in den höchsten Kronenraum und auf einer mehr als 1 km langen Strecke.

 

 

4. Lebensräume der Bartflechten unter besonderer Berücksichtigung der Vorkommen auf Lärchen

 

Bartflechten kommen nach gegenwärtigem Kenntnisstand im Raum der Südheide in vier unterscheidbaren Lebensräumen vor (Tab. 1). Dabei sind insbesondere die Vorkommen auf den bis zu 25-jährigen Lärchen sowie auf den jungen (Krüppel-)Eichen unter Berücksichtigung der bisher bekannten Wuchsorte (Zusammenstellung bei Hauck 1996) ungewöhnlich. Ernst (1997) und Hauck (1996) berichten zwar über Vorkommen von Usnea subfloridana an Lärchen, Hauck (1996) außerdem über solche von Usnea florida, Usnea fulvoreagens, Usnea hirta sowie Bryoria fuscescens, wobei in der Regel aber ältere Bäume besiedelt werden.

 

 

    • Tabelle 1: Lebensräume und Erscheinungsformen der Bartflechten im Untersuchungsgebiet.
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    Substrattyp

     

    Arten

    Erscheinungsformen

    1 Alteichenbestand, wegbegleitend

    Usnea cf. filipendula, Bryoria fuscescens

    Stammbereich und Kronenraum, in unterschiedlich starken Herden, sonst nur zweimal im Kronenholz bzw. an Zweig im unteren Stammbereich

    Jungeichen-Kultur (verkrüppelt)

    Usnea cf.filipendula

    auf Zweigen, bis mittelgroß, verbreitet bis zerstreut

    Stammbereich älterer Birken mit rauher Borke und Absiedlung auf totem Rundholz in der Nachbarschaft

    Usnea cf. filipendula, Bryoria fuscescens

    in kleinen bis individuenreichen (> 100 Exemplare) Herden, teils sehr stattliche Exemplare (bis 35 cm lang)

    20- bis 30-jährige Lärchen (Feuerschutzmaßnahme an Schneisen von Kiefern-Reinbeständen)

    Usnea cf. filipendula, Bryoria fuscescens

    klein bis mittelgroß, meist einzeln (aber gelegentlich auch bis zu 5 oder 10 Exemplare), in der Regel auf ein- bis zweijährigem Totholz

     

    Die Bartflechtenbestände finden sich in der Regel in beträchtlichem Abstand von stark befahrenen Straßen und insbesondere von ausgedehnten, intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen. Gegenüber kleineren intensiv genutzten Flächen, die in die extensiv genutzte Landschaft nur eingestreut sind, scheint es dagegen bereits bei 1 bis 4 km Entfernung eine bemerkenswerte Toleranz zu geben (Tab. 2).

     

     

      • Tabelle 2: Distanzen der Bartflechten-Lärchen-Standorte zu intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen.
  •  

    Fundort

    (Meßtischblattquadrant)

    Abstand von kleineren intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen*

    Abstand von großen intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen*

    3127/1

    2, 4, 5 und 6 km

    9 km

    3127/3

    1 und 5 km

    8 km

    3127/4

    1, 2 und 8 km

    11 km

    3226/2

    4 km

    5 km

    3227/1

    1 und 2 km

    9 km

    * Abstandsangaben entgegen den vorherrschenden Windrichtungen zwischen Nordwest und Südwest.

     

     

    Bemerkenswert ist die Vergesellschaftung der Bartflechten auf den Lärchenbeständen (Tab. 3). Es handelt sich offenbar um die gleiche Gesellschaft, die vor allem von älteren Eichenbeständen (im Heidebereich z.B. an den Standorten ehemaliger Schnuckenställe) bekannt ist. Zwischen Usneen und Bryorien scheint ein Häufigkeitsverhältnis von etwa 7:1 zu bestehen, wobei zu berücksichtigen bleibt, daß Bryoria fuscescens wegen ihrer olivbraunen Färbung im Feingeäst sicherlich häufiger übersehen wird als die lebhaft “usningrünen” Usneen. Auf einzelnen Strecken insbesondere von Schneisen in Ost-West-Richtung kommen Bartflechten an jeder dritten Lärche vor. Dies scheint jedoch die Ausnahme zu sein. Besonders in dichteren oder tiefer gestaffelten Lärchenbeständen ist die Besatzdichte dagegen um ein Vielfaches dünner.

     

    Syntaxonomisch läßt sich die beobachtete Vergesellschaftung offensichtlich dem Usneion barbatae-Verband zuordnen. Nach Drehwald (1993) ist Usnea filipendula Kennart des Alectorio-Usneetum dasypogae. Bryoria fuscescens, Cetraria chlorophylla und Hypogymnia tubulosa werden als Verbands- oder Ordnungs-Kennarten (Alectorietalia), Hypogymnia physodes als Klassen-Kennart (Hypogymnietea physodis) eingestuft.

     

    Nach bisherigem Kenntnisstand bevorzugt die Flechtengesellschaft

     

    • · das untere Drittel der Lärchen: Vermutlich ist hier die Luftbewegung am geringsten und daher die Luftfeuchtigkeit am nachhaltigsten;
    • · ein- bis zweijährige, in der Regel abgestorbene Zweige: Das letztere vermutlich nur deshalb, weil die meisten Zweige im unteren Bereich abgestorben sind. Es gibt auch Ausnahmen (Exemplare an frischem Holz und - bisher ganz selten - am Stamm);
    • · die südlichen Waldränder an Ost-West-Schneisen: Vermutlich, weil hier der angrenzende Kiefernbestand mit seinen Schatten eine direkte Sonneneinstrahlung und damit eine zu rasche Austrocknung der Flechten verhindert;
    • · bereits ausgelichtete Bestände: Vermutlich, weil auf diese Weise die diffuse (also nicht aus direkter Sonneneinstrahlung resultierende) Belichtung am intensivsten ist.
  •  

      • Tabelle 3: Vergesellschaftung der Bartflechten auf schneisenbegleitenden Lärchenbeständen in Kiefernforsten.
  •  

    Art

    Gefährdungsgrad gemäß Roter Liste Niedersachsen (Hauck 1992)

    Angaben zumVorkommen

    Bryoria fuscescens

    1

    weniger zahlreich als Usnea cf. filipendula, im Durchschnitt auch weniger kräftig entwickelt

    Cetraria chlorophylla

    -

    zerstreut, aber fast regelmäßig vorhanden, kräftige Exemplare

    Evernia prunastri

    3

    zerstreut, aber regelmäßig vorhanden, kräftig entwickelt, starke Gelbfärbung

    Hypogymnia physodes

    -

    absolut dominant, bedeckt junges, meist abgestorbenes Zweigwerk oft fast zu 100 %

    Hypogymnia tubulosa

    3

    zahlreich und in sehr kräftigen Exemplaren mit starker Gelbfärbung

    Lecanora conyzaeoides

    -

    noch wenig bekannt, auf dünnem Totholz

    Platismatia glauca

    -

    zahlreich und in sehr kräftigen Exemplaren

    Pseudevernia furfuracea

    -

    nicht immer vorhanden, nur gelegentlich sehr kräftig entwickelt

    Strangospora pinicola

    -

    noch wenig untersucht, auf dünnem Totholz

    Usnea cf. filipendula

    1

    stellenweise jeder dritte Baum, zahlreicher als Bryoria fuscescens, oft kräftige, dichte, mittellange Exemplare mit kräftiger Gelbfärbung

    Vulpicida pinastri

    2

    kleine Exemplare, seltener als Bryoria und Usnea und nicht in jedem Bestand auffindbar

    Parmelia saxatilis

    -

    nur selten und vielleicht nicht gesellschaftstypisch

    Parmelia sulcata

    -

    wie P. saxatilis

    Xanthoria candelaria

    -

    selten, wohl nichtgesellschaftstypisch und in größerer Nähe zu landwirtschaftlichen Flächen

    Xanthoria polycarpa

    3

    wie X. candelaria

     

    5. Ausblick

     

    Zur Beurteilung des beschriebenen Bartflechten-Phänomens bedarf es der Beantwortung einer Reihe von Fragen, von denen einige angedeutet werden sollen.

     

    Zum Verständnis des Bartflechten-Phänomens ist notwendiger Weise nach der besonderen Qualifikation der Lärche als Trägerbaum zu fragen. In welcher Weise unterscheidet sich die chemische Zusammensetzung und Wirkung der Rindensubstrates der Lärche (vielleicht nur im Bereich der 1- bis 2-jährigen Zweige) von der Rinde anderer möglicher Träger-Baumarten?

     

    Das Bartflechten-Phänomen vollzieht sich im wesentlichen im unteren Stammesbereich von 20- bis 25-jährigen Lärchen und dort in der Regel auf bereits abgestorbenen, also bald hinfälligen dünnen Zweigen. Denkbar ist eine Negativ-Entwicklung, wenn es den Bartflechten nicht gelingen sollte, ihre Lebensbasis zu erweitern. Auf lange Sicht wäre daher zu untersuchen, ob die Bartflechten mit fortschreitendem Wachstum der Lärchen die Stämme selbst und die Wipfelregion erobern und damit ihren Bestand sichern können.

     

    Flechten - insbesondere solche mit epiphytischer Lebensweise - gelten als Indikatoren für Luftqualität. Sie reagieren sensibel auf Veränderungen u.a. der Immission von Schwefelsäure und gasförmigen Stickstoffverbindungen (Wirth 1991, Kirschbaum & Wirth 1997). Die sich vor allem auf Lärchen andeutende Rückkehr der Bartflechten legt die Frage nahe, ob hier eine der angestrebten Auswirkungen der TA Luft vorliegt und ob eine solche Tatsache nicht zu politischen Konsequenzen herausfordert, beispielweise den Zubau von weiteren Massentierhaltungs-Anlagen einzuschränken oder zu untersagen: Ist die Rückkehr der Bartflechten, sofern sie sich hält und fortsetzt, ein verläßliches Signal für eine Verbesserung der Atemluft und ein Anlaß, die Anstrengungen um weitere Verbesserungen und weitere Gefahrenabwehr für die Atemluft zu verstärken?

     

     

    6. Danksagung

     

    Ich danke in besonderem Maße den Herren Hans-Wilhelm Linders (Leer) und Uwe de Bruyn (Oldenburg), die mir bei den ersten Schritten in die Welt der Flechten geholfen und insbesondere schwierige Arten bestimmt haben. Mein besonderer Dank gilt aber auch den verschiedenen Forstleuten aus den Staatsforsten Lüß und Oerrel, der Genossenschaftsforsten in den Gemeinden Faßberg-Müden und Hermannsburg und der Försterei der Firma Rheinmetall, die sich sehr interessiert zeigten und bereitwillig auf meine Vorschläge zur Sicherung der in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen gelegenen Bartflechtenbestände eingingen. Weitere Gespräche mit Forstleuten sowie mit Grundeigentümern der Region stehen noch aus, und ich zweifle nach den bisherigen äußerst positiven Erfahrungen nicht daran, daß sie sich positiv entwickeln werden.

     

     

    7. Literatur

     

    Drehwald, U. (1993): Die Pflanzengesellschaften Niedersachsens - Bestandsentwicklung, Gefährdung und Schutzprobleme – Flechtengesellschaften. - Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 20 (10); Hannover.

    Eickenrodt, E. (Hrsg.) (1984): Pflanzen und Tiere im Landkreis Celle. - Celle.

    Ernst, G. (1997): Die Flechten des Landkreises Harburg. - Berichte des Botanischen Vereins zu Hamburg 17: 135 S.; Winsen (L.).

    Harbort, E. (1916): Erläuterungen zur Geologischen Karte von Preußen, Blatt Celle. – Königlich Preußische Geologische Landesanstalt, Lieferung 187; Berlin.

    Hauck, M. (1992): Rote Liste der gefährdeten Flechten in Niedersachsen und Bremen. -Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 12 (1): 1-44; Hannover.

    Hauck, M. (1995): Epiphytische Flechtenflora ausgewählter buchen- und eichenreicher Laubalthölzer in Niedersachsen. - Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 15 (4): 55-70; Hannover.

    Hauck, M. (1996): Die Flechten Niedersachsens - Bestand, Ökologie, Gefährdung und Naturschutz. - Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 36; Hannover.

    Heckenroth, H., Laske, V. (1997): Atlas der Brutvögel Niedersachsens 1981 – 1995. - Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 37; Hannover.

    Hobohm, C. (1994): Baumflechten und Luftbelastungen in Lüneburg und Umgebung – eine neue Methode der Bioindikation auf der Basis von Zeigerwerten. - Beiträge zur Naturkunde Niedersachsens 47 (2): 49-61; Peine.

    Hoffmeister, J. (1937): Die Klimakreise Niedersachsens. – Schriften der Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft zum Studium Niedersachsens, Reihe B, 16; Bremen.

    Jacobsen, P. (1992): Flechten in Schleswig-Holstein: Bestand, Gefährdung und Bedeutung als Bioindikatoren. - Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Geobotanik in Schleswig-Holstein und Hamburg 42; Kiel.

    Kaiser, T. (1994): Der Landschaftswandel im Landkreis Celle – Zur Bedeutung der historischen Landschaftsanalyse für Landschaftsplanung und Naturschutz. – Beiträge zur räumlichen Planung 38, Hannover.

    Kirschbaum, U., Wirth, V. (1997): Flechten erkennen - Luftgüte bestimmen, 2. verb. Auflage. – Stuttgart.

    Lüders, R. (1978): Bodenkundliche Standortkarte von Niedersachsen und Bremen. - Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen, Sonderreihe A, 1: 19-20; Hannover.

    Meisel, S. (1960): Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 73, Celle. - Geographische Landesaufnahme 1:200.000, Naturräumliche Gliederung Deutschlands. - Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung; Bad Godesberg.

    Meyer, K.-D. (1984): Die jüngere geologische Entwicklung der Landschaft im Kreis Celle. - In Eickenrodt (1984): 16-18.

    Moberg, R., Holmasen, I. (1992) : Flechten von Nord- und Mitteleuropa: ein Bestimmungsbuch. - Stuttgart, Jena, New York.

    Nöldeke, C. (1870): Verzeichnis der im Fürstenthum Lüneburg beobachteten Laubmoose, Lebermoose und Flechten. - Jahresberichte des Naturwissenschaftlichen Vereins für das Fürstenthum Lüneburg 4: 51-84; Lüneburg.

    Scholz, P. (1992): Rote Liste der Flechten des Landes Sachsen-Anhalt. - Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 1: 38-43; Halle.

    Vagts, I., Ernst, G. (1997): Flechten. - In Cordes, H., Kaiser, T., Lancken, H.v., Lütkepohl, M., Prüter, J. (Hrsg.): Naturschutzgebiet Lüneburger Heide : Geschichte - Ökologie – Naturschutz. – S. 199-208; Bremen.

    Wirth, V. (1987): Die Flechten Baden-Württembergs. - Stuttgart.

    Wirth, V. (1991): Zeigerwerte von Flechten. – Scripta geobotanica 18: 215-237.

    Wirth, V. (1995): Flechtenflora, 2. neubearb. und erg. Auflage. - Stuttgart.

    Wirth, V., Schöller, H., Scholz, P., Ernst, G., Feuerer, T., Gnüchtel, A., Hauck, M., Jacobsen, P., John, V., Litterski, B. (1996): Rote Liste der Flechten (Lichenes) der Bundesrepublik Deutschland. - Schriftenreihe für Vegetationskunde 28: 307-368; Bonn – Bad Godesberg.

     

     

      • Anschrift der Verfasser:
  • Martin Dethlefs, (Eckernhoop 7, 29320 Hermannsburg) - verstorben
  • Dr. Thomas Kaiser, Am Amtshof 18, 29355 Beedenbostel

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